01. Juli 2010
Rechtsanwälte Düsseldorf | Markenrecht - Fehlende Unterscheidungskraft bei längeren Wortfolgen |

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 35/09
vom
1. Juli 2010

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1

 

Längere Wortfolgen entbehren in der Regel jeglicher Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - I ZB 35/09 - Bundespatentgericht

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 durch den Vor-sitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, und Dr. Koch
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des 33. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 31. März 2009 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:
I. Die Anmelderin hat beim Deutschen Patent- und Markenamt die Eintra-gung der Wortfolge

Die Vision: EINZIGARTIGES ENGAGEMENT IN TRÜFFELPRALINEN
Der Sinn: Jeder weiß WAS wann zu tun ist und was NICHT zu tun ist
Der Nutzen: Alle tun das RICHTIGE zur richtigen Zeit

als Marke für - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - fol-gende Waren und Dienstleistungen beantragt:
Klasse 30
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioca, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Ge-treidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melas-sesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis;
Klasse 35
Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 42

Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; Rechtsberatung und -vertretung.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung wegen Fehlens der Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (BPatG GRUR 2009, 1060).

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.

II. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde der Anmelderin für unbegründet erachtet, weil die angemeldete Wortfolge wegen Fehlens der Unterschei-dungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung als Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausgeschlossen sei. Es hat hierzu ausgeführt:

Zwar lasse sich ein Waren und Dienstleistungen beschreibender Zusam-menhang nicht in Bezug auf alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Slo-gans herstellen. Gleichwohl werde die angemeldete Wortfolge nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden. Gegen die Unterscheidungskraft sprächen bereits die Länge des angemeldeten Zeichens und der Umstand, dass die verschiedenen Slogans im Verbund verwendet würden. Da bei dem angemel-deten Zeichen mehrere Slogans nacheinander aufgeführt seien, fehle es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unter-scheidungskraft sprechen könnten. Allein zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge benötige der Verkehr eine erhebliche Zeit, was für sich genommen schon dagegen spreche, dass die Wortfolge als ein Zeichen bzw. ein betrieblicher Herkunftshinweis erfasst werde. Der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöh-nung an Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge kei-nen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erkennen.

III. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Bundespatentge-richt hat rechtsfehlerfrei das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unter-scheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) bejaht.

1. Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufge-fasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekenn-zeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein groß-zügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterschei-dungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH, Beschl. v. 4.12.2008 - I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Tz. 11 = WRP 2009, 813 - Willkommen im Leben; Beschl. v. 22.1.2009 - I ZB 34/08, GRUR 2009, 949 Tz. 10 = WRP 2009, 963 - My World, m.w.N.).

Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungs-kraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortzeichen gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschrei-benden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zu-kommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World, m.w.N.).

2. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts beschreiben zwar nicht alle drei im angemeldeten Zeichen enthaltenen Werbesprüche die bean-spruchten Waren und Dienstleistungen. Das angemeldete Zeichen enthält zudem, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend macht, keine gebräuchliche Wortfolge, die vom Verkehr stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt daraus jedoch nicht, dass dem angemeldeten Zeichen Unterscheidungskraft zukommt.

Kann einem Wortzeichen kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Spra-che oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen ei-ner entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, gibt es zwar im Allgemeinen keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH GRUR 2009, 778 Tz. 11 - Willkommen im Leben, m.w.N.). Einem Zeichen kann die Unterscheidungskraft jedoch auch fehlen, wenn es keinen beschreibenden Begriffsinhalt hat und kein gebräuchliches Wort ist. So sind insbesondere längere Wortfolgen, wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig (st. Rspr.; vgl. Beschl. v. 13.6.2002 - I ZB 1/00, GRUR 2002, 1070, 1071 = WRP 2002, 1281 - Bar jeder Vernunft; GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World). Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass an Wortfolgen keine anderen rechtlichen Maßstäbe anzulegen sind als an sonstige Arten von Zeichen. Die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind zwar für alle Arten von Zeichen dieselben; bei der Anwendung dieser Kriterien kann sich aber zeigen, dass die maßgeblichen Verkehrskreise nicht jede Art von Zeichen notwendig in gleicher Weise wahrnehmen (EuGH, Urt. v. 21.10.2004 - C-64/02, Slg. 2004, I-10031 = GRUR 2004, 1027, 1029 Tz. 34 - Erpo Möbelwerk [Das Prinzip der Bequemlichkeit] Urt. v. 21.1.2010 - C-389/08, GRUR 2010, 228 Tz. 37 - Audi [Vor-sprung durch Technik]). Eine längere Wortfolge vermittelt dem angesprochenen Ver-kehr in der Regel nicht den Eindruck eines betrieblichen Herkunftshinweises (Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 144 m.w.N. zur Rechtsprechung des BPatG).

3. Danach hat das Bundespatentgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass der angemeldeten Wortfolge jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts sehen die angesproche-nen Verkehrskreise in dem angemeldeten Zeichen wegen der Länge der Wortfol-ge keinen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen. Dem Zeichen fehlt es an Kürze, Originalität und Prägnanz und damit an wichtigen Indizien, die für eine Unterscheidungskraft sprechen könnten. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. BGH GRUR 2009, 778 Tz. 12 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 Tz. 12 - My World).

Die Rechtsbeschwerde rügt ohne Erfolg, das Bundespatentgericht habe den Umstand, dass der Verkehr zur Erfassung der komplexen Gesamtwortfolge erhebliche Zeit benötigt, zu Unrecht zur Begründung der fehlenden Unterscheidungskraft herangezogen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Bun-despatentgericht nicht verkannt, dass es für die Unterscheidungskraft unerheblich ist, ob die angesprochenen Verkehrskreise sich das angemeldete Zeichen merken können (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 25/97, GRUR 2000, 502, 503 f. = WRP 2000, 520 - St. Pauli Girl, m.w.N.). Das Bundespatentgericht hat das Fehlen der Unterscheidungskraft vielmehr allein daraus hergeleitet, dass die angespro-chenen Verkehrskreise in der angemeldeten Wortfolge keinen Herkunftshinweis sehen.

Gleichfalls ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde die Annahme des Bundespatentgerichts, der Verkehr werde angesichts fehlender Gewöhnung an Mehrfachslogans als Kennzeichnung in der angemeldeten Wortfolge keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, sondern nur die Wortfolge als solche erken-nen. Da der Verkehr nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht da-ran gewöhnt ist, in Mehrfachslogans eine Kennzeichnung zu sehen, kommt es nicht darauf an, ob der Verkehr, wenn er an Mehrfachslogans als Kennzeichnung gewöhnt wäre, in der angemeldeten Wortfolge einen betrieblichen Herkunftshin-weis sähe.

Es kann dahinstehen, welche Folgen eine Zurückweisung des angemeldeten Mehrfachslogans im Hinblick darauf hat, dass die in dem Mehrfachslogan enthal-tenen Einzelslogans jeweils für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienst-leistungen als Marke der Anmelderin eingetragen sind (vgl. BPatG, Beschl. v. 21.10.2008, 33 W (pat) 22/07, 33 W (pat) 33/07 und 33 W (pat) 37/07, jeweils juris). Die Rechtsbeschwerde macht geltend, bei einer Zurückweisung des Mehr-fachslogans könnte die Anmelderin die Einzelslogans nicht durch Verwendung des Mehrfachslogans im Geschäftsverkehr rechtserhaltend nutzen und würden Dritte die Einzelslogans durch eine Verwendung des Mehrfachslogans nicht verletzen. Es kommt nicht darauf an, ob die Befürchtungen der Anmelderin berechtigt sind. Sie können jedenfalls nicht die Eintragung eines Zeichens rechtfertigen, dem jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert Koch

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.03.2009 - 33 W(pat) 21/07 -